Was ich als freie Texterin bei manchen Jobangeboten auf Onlineplattformen und in Jobangeboten lese, lässt mich staunen. Da werden Texte nachgefragt, die gut recherchiert, mehrwertschwanger und natürlich einzigartig sein sollen. Für 2 Cent pro Wort, 1 Cent pro Wort – und manchmal sogar für 0,09 Cent pro geschriebenem Wort 😨. Als freie Texterin denke ich mir:
Heiliger Stohsack!
Texte pro Wort zu bezahlen ist verlockend
Wenn du eine:n freie:n Texter:in suchst, dann klingt es natürlich erstmal verlockend, ihn nach geschriebenen Wörtern zu bezahlen. Einfach die ungefähre Textlänge bestellen und zack – weißt du, wie viel Geld du für deine Website-Texte oder Blogartikel locker machen musst. Du zahlst nur, was du kriegst. Maximale Transparenz.
Als Texterin sind solche Angebote für mich ein Graus. Wenn ich schreibe, dann möchte ich mir auch Gedanken über das machen, was ich da produziere.
Wenn ich allerdings bei jedem Gedanken, den ich investiere, Zeit verliere und kein Geld damit verdiene, sinkt meine Motivation auf den Nullpunkt. Bei manchen Aufträgen ist es eben besser, sie direkt abzulehnen. Was daran sogar richtig genial ist, liest du in meinem Artikel Aufträge ablehnen? Aber ja!
1.000 Wörtern für 42,70 Euro!
Gerade habe ich spaßeshalber auf einer der bekannten Texterplattformen die Angebote gecheckt. Einen Fachtext mit 1.000 Wörtern zu einem erklärungsbedürftigen Thema mit höherem Rechercheaufwand bekomme ich ab bekomme ich ab 4,27 Cent pro Wort. Geschrieben von eine:m Fünf-Sterne-Texter:in. Macht 42,70 Euro.
42,70 Euro.
Warte kurz, ich rechne mal nach:
etwa eine Stunde Recherche vor dem Schreiben (wenn es richtig gut läuft)
etwa 4 Stunden fürs Texten
Macht einen Stundensatz von 8,54 Euro.
Minus Steuern, minus Administration und Rechnungsstellung und abzüglich Nebenkosten sind das vielleicht 6 Euro pro Stunde.
Für einfachere Texte mit weniger Rechercheaufwand wird nicht selten 1 Cent pro Wort gezahlt. Das wären dann bei zweieinhalb Stunden Arbeitszeit für 1.000 Wörter ein Stundensatz von vier Euro. Abzüglich der Kosten bliebe ein Stundensatz von etwa 5 Euro.
Große Textmengen rechtfertigen keine Dumpingpreise
Als jemand, der sein Geld mit dem Schreiben verdient, stoßen mir solche Jobangebote deshalb übel auf. Besonders dann, wenn die Dumping-Honorare mit dem Verweis große Textmengen gerechtfertigt werden. Ein typisches Jobangebot aus einer Facebook-Gruppe liest sich dann so:
„Das Budget der Texte beträgt 4 ct pro Wort, beachten Sie bitte das große Volumen an Texten, die geschrieben werden.“
Als ob es das besser machen würde.
Ich gehe ja auch nicht in den Supermarkt und sage an der Kasse: „Ich habe von den Bananen gleich zehn Stück gekauft, daher zahle ich heute nur drei.“
Schreiben ist nur ein kleiner Teil des Prozesses
Wenn ich Marketingtexte für meine Kund:innen schreibe, dann macht das eigentliche Texten vielleicht 30 Prozent aus. Der ganze Rest ist Recherche, Analyse, Strategie und Nachbearbeitung. Das ist unverzichtbar, wenn die Texte bei ihrer Zielgruppe die gewünschte Wirkung erzielen sollen.
Jeder Text braucht ein Ziel
Jeder Text, den du für dein Marketing veröffentlichst, verfolgt ein Ziel. Möchtest du
die Leser:innen informieren?
neue Kund:innen gewinnen?
Vertrauen in deine Marke aufbauen?
den Leser:innen die Kaufentscheidung erleichtern?
Sich im Vorfeld Gedanken darüber zu machen, was du mit deinem Text erreichen willst, ist also wichtig. Damit dein Text sein Ziel erreichen kann, ist eine zweite Sache unverzichtbar. Er muss für die Leute geschrieben werden, die ihn lesen sollen. Die sich von ihm angesprochen fühlen sollen. In denen er Gefühle auslösen soll. Klingt einfach, ist aber ein Haufen Arbeit.
Alles steht und fällt mit dem Verständnis für die Zielgruppe
Das geht nur, wenn der Texter oder die Texter:in sich vorher mit deiner Zielgruppe beschäftigt hat. Wenn er oder sie die Sprache und die Gedanken, Sorgen und Wünsche deiner Zielgruppe kennt. Gute Texter:innen verstehen es, die Leser:innen an ihrem Punkt der Kaufentscheidung abzuholen und positive Gefühle zu wecken. Schreibt er oder sie an ihr vorbei, wirst du nichts mit deinem Text erreichen.
Wenn Ziel und Zielgruppe klar sind, geht es an den roten Faden. Wie soll der Text aufgebaut werden? Wie kann er deine:n Leser:in abholen, wo er oder sie steht, wie kann er etwa Vorbehalte gegen einen Kauf abbauen? Kaufinteresse wecken und deine:n Leser:in argumentativ zur gewünschten Handlung führen?
Viele Schritte sind nötig, bevor das erste Wort geschrieben wird
Gute freie Texter:innen werden zudem noch einen Blick auf dein Wettbewerbsumfeld werfen. Wer sind deine größten Konkurrenten, welche Texte gibt es zu deinem Thema und welche Aspekte lassen die vorhandenen Texte offen, die dein Text behandeln könnte?
Erst danach geht es ans Texten.
Du merkst: Wenn dein:e Texter:in das erste Wort schreibt, dann hat er oder sie schon viele Stunden mit der Vorarbeit und Entwicklung einer Strategie verbracht.
Ansonsten wäre Nike mit dem Claim „Just do it“ auch ziemlich günstig davongekommen, oder?
Einst konnte man bei Google mit Masse punkten
In den Anfangszeiten von SEO war es für Unternehmen einfach, bei Google einen der vordersten Plätze zu ergattern: einfach laaaange Texte schreiben und sie mit Keywords zumüllen – fertig. Damals schossen die Textangebote per Wortpreis wie Waldpilze aus der Erde.
Heute sehen die Anforderungen an Webtexte anders aus. Die Suchmaschinen sind schlauer, die Algorithmen lassen sich von Masse allein nicht mehr beeindrucken. Guter Content muss durch Qualität glänzen, unique, also einzigartig sein, den User:innen Mehrwert liefern und sie überzeugen (mehr zum Thema SEO und warum sich SEO-Texte auch für dein Business lohnen, findest du in meinem Artikel Warum Seo?).
Texter:innen, die pro Wort bezahlt werden, gibt es aber immer noch.
Texte, die online gefunden werden sollen, können unmöglich einfach nur vom Hook bis zum Call to Action runtergeschrieben werden. Es braucht vor allem Recherche und Analyse, und die muss fair bezahlt werden. Wenn dein:e Texter:in erst ab dem ersten geschriebenen Wort Geld verdient: Meinst du, er oder sie wird viel Zeit in die so wichtige Vorarbeit investieren?
Überflüssiges Fett macht schwer – das gilt auch für Texte
Von den erwähnten Problemen mal ganz abgesehen, sehe ich aber noch ein anderes Problem bei der Bezahlung nach Wortpreis. Sowohl Leser:innen als auch Suchmaschinen wollen Texte, die schnell auf den Punkt kommen, überflüssiger Speck in Wortform ist unerwünscht.
Was für die Vorarbeit gilt, gilt auch in Sachen Nachbereitung eines Textes. Wenn ich für Kund:innen schreibe, dann nehme ich mir viel Zeit für die Überarbeitung der ersten Textfassung. Es ist der Schritt des Entrümpelns, des Reinemachens. In diesem Schritt geht es darum, aus einem ganz guten Text einen sehr guten Text zu machen, der Leser:innen überzeugt. Jedes Wort, das mich dem Ziel meines Textes nicht näherbringt, wird jetzt gnadenlos gestrichen.
Wortpreise belohnen aufgeblähte Texte
Wenn du deine:n Texter:in für jedes geschriebene Wort bezahlst, muss er oder sie für jedes Wort, das im Sinne des Textes gekürzt wird, Honorar einbüßen. Ich empfinde es als kontraproduktiv, aufgeblähte Texte zu belohnen.
Im letzten Schritt nehme ich mir außerdem die wichtige Zeit, um an meinen Formulierungen zu feilen. Ich frage mich zum Beispiel, ob dieses oder jenes Wort wirklich das ist, was die Zielgruppe gebrauchen würde. Würde ich mir die Zeit für diesen Schritt nehmen, wenn ich keinen müden Cent dafür kriegen würde? Mmmmmh… Es würde mich zumindest nicht glücklich machen.
Erfahrung muss bezahlt werden
Und eine Sache sei auch noch erwähnt: Ich bin nicht freie Texterin geworden, weil ich als Mutter von zwei Kindern ein bisschen Zeit übrig habe zwischen Spaghetti kochen und Buntwäsche aufhängen.
Ich habe ein Hochschulstudium abgeschlossen, beim Radio gearbeitet, ein zweijähriges Redaktionsvolontariat gemacht, als Redakteurin, Pressesprecherin und Marketingmanagerin gearbeitet, eine Ausbildung zur Content-Marketing-Managerin gemacht und bilde mich nahezu ständig weiter, um meinen Kund:innen das Beste zu liefern, das ich ihnen geben kann.
Ich bin nicht bereit, mich unter Wert zu verkaufen. Genauso wenig wie ein erfahrener Handwerker, der für seine Arbeit und seine Erfahrung angemessen bezahlt werden will. Genauso wie er muss ich übrigens meine Ausstattung und Werkzeuge finanzieren (bei mir sind es eher Online-Tools), meine Versicherungen und Steuern zahlen und ab und zu meinen Söhnen ein paar Pokemon-Karten kaufen (auch wenn ich die Dinger schrecklich finde).
Warum ich als freie Texterin nicht für einen Wortpreis arbeite – Fazit
Ich weiß, dass es zu diesem Thema verschiedene Meinungen gibt. Bei der Recherche bin ich auf einen Text gestoßen, der Texter:innen die Vorteile des Wortpreises aufzeigen will. Sorry, aber die kann ich für mich und meine Kolleg:innen einfach nicht erkennen.
Klar gibt es Ausnahmen, in denen Wortpreise vielleicht gerechtfertigt sind, zum Beispiel, wenn jemand als neue:r Texter:in am Markt Fuß fassen will und auf der Suche nach ersten Aufträgen auf diese Weise praktische Erfahrungen sammeln will.
Aber ich sehe immer wieder, dass die Erwartungshaltung an Texte, die für ein paar Cent fünfzig angefragt werden, einfach viel zu hoch sind und den Anforderungen an einen professionellen Text aus Profihand gleichen. Dann aber bleibt entweder die Qualität auf der Strecke oder die Texter:innen arbeiten für einen Lohn, von dem sie kaum leben können.
Ich selbst bekomme keine Anfragen, in denen ich pro Wort bezahlt werden soll. Ich habe sehr wertschätzende Kund:innen, die den gute Texte zu schätzen wissen und die es normal finden, mit mir über Ziele, Zielgruppen, Botschaften und Tonalität zu sprechen – BEVOR ich überhaupt etwas aufschreibe. Kund:innen, für die es selbstverständlich ist, mich als freie Texterin für diese wichtige Vorarbeit auch zu entlohnen.
(Zur notwendigen Vorarbeit gehört übrigens auch ein ausführliches Briefing der Auftraggeber:innen. Was dabei zu beachten ist, findest du in meinem Artikel Texter-Briefing schreiben.
Wie ist deine Meinung zu dem Thema? Wie möchtest du deine:n Texter:in bezahlen?
Deine Nadja
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