Nutzt du auch das Deppenleerzeichen? Oder: Es lebe der Bindestrich.
Nutzt du auch das Deppenleerzeichen? Oder: Es lebe der Bindestrich.
Am Obstregal im Supermarkt steht es über den Kartoffeln schwarz auf weiß: Ein Kilo Schale: 2,99 Euro.
Wann hast du das letzte Mal ein Kilo Kartoffelschalen gekauft?
Oder einen Teller Linsen in der Tüte?
Mit Zucker gewürfelt?
Eine Verpackung gegessen?
Wenn du jetzt nur Bahnhof verstehst, dann ist wahrscheinlich das Deppenleerzeichen schuld.
Deppen-was?
Das Deppenleerzeichen beschreibt – zugegebenermaßen etwas abwertend – ein falsch gesetztes Leerzeichen zwischen zusammengesetzten Wörtern, auch Komposita genannt.
Es begleitet mich durch den Tag. Wenn ich morgens den Kühlschrank aufmache. Oder mein Müsli esse. Oder meine Kinder zu Schule und Kita bringe. Und anschließend am Schreibtisch. Denn dieser Grammatikfehler findet sich nahezu überall: auf Verpackungen, an Schaufenstern, auf Werbeplakaten- und Aufstellern, in Werbetexten und auf Websites.
Ein Teller Linsen in der Tüte
Um für diesen Blogartikel Beispiele zu finden, musste ich mich gerade einmal bis zur Küche bewegen. In meinem Vorratsschrank habe ich stolze 15 Verpackungen gefunden, bei denen Produktnamen falsch geschrieben sind. So habe ich anscheinend einen Teller Linsen gekauft, obwohl ich eigentlich zu einer Tüte Teller-Linsen gegriffen habe.
Wie vermeidet man das Deppenleerzeichen?
Wie schreibt man es also richtig?
Zusammengesetzte Begriffe werden im Deutschen zusammengeschrieben. Man darf sie auch durch Bindestrich miteinander verbinden, wenn sie dadurch leichter verständlich und lesbar sind. Korrekt müsste es also „Wüfelzucker“ oder „Probier-Packung“ heißen.
Die Regeln für zusammengesetzte Wörter sind gar nicht so kompliziert.
Machst du aus Kartoffeln einen Salat, hast du einen Kartoffelsalat. Veranstaltest du in deinem Garten eine Party, machst du eine Gartenparty. Bei langen Wörtern kannst du einen Bindestrich einsetzen, um den Lesefluss und das Verständnis zu erlichtern. Zum Beispiel wenn dein Kartoffelsalat aus Pellkartoffeln ist und du ihn mit Knoblauch verfeinert hast. Dann is ein Knoblauch-Pellkartoffel-Salat sicher leichter verdaulich als ein Knoblauchpellkartoffelsalat.
Der Behördensprache etwa stünde der ein oder andere Bindestrich ganz gut. Zum Beispiel bei Wortungetümen wie die „Straßenentwässerungsinvestitionskostenschuldendienstumlage“ oder die „Wochenstundenentlastungsbereinigungsverordnung“. Im Dudenkorpus, der digitalen Datenbank für elektronische Texte, finden sich zahlreiche weitere Beispiele für solche Wortmonster.
Fehlende Bindestriche im Marketing
Im Bereich Marketing sieht es dagegen anders aus. Jeden Tag begegnen mir Texte über „Content Marketing“, bezeichnen sich Profis als „Content Marketing Spezialisten“. Fast nie lese ich einen Text über Content-Marketing oder Contentmarketing, obwohl das die korrekte Schreibweise wäre.
Auch bei Firmen-, Produkt- und Markennamen lässt sich dieses Phänomen beobachten, etwa bei Ritter Sport oder Coca Cola. Obwohl Eingennamen gebeugt und mit Bindestrichen verbunden werden müssen, bestehen viele Unternehmen darauf, ihren Marken- oder Produktnamen mit falschen Leerzeichen zu schreiben. Auch dann, wenn der Unternehmensname mit anderen Wörtern verbunden wird. Der Neujahrsampfang von „Müller Stahl“ wird dann zum „Müller Stahl Neujahrsempfang“.
Fakt ist: Wenn Firma Hackenpiep Kinderkleidung herstellt, dann ist dies Hackenpiep-Kinderkleidung und nicht Hackenpiep Kinderkleidung.
Die falsche Schreibweise wird auch konsequent in Pressemitteilungen durchgezogen, die Redaktionen dann mühsam an die deutsche Rechtschreibung anpassen müssen. Ich erinnere mich noch daran, wie ich als Redakteurin unzählige Unternehmens-Pressemitteilungen um Bindestriche ergänzt habe. Denn die deutschen Rechtschreibregeln haben immer noch Vorrang vor dem Schutz von Markennamen.
Als ich noch für eine PR-Agentur getextet habe, zeigte ein Blick in die Vorgaben zum Corporate-Wording der Kund:innen: Nicht nur das Leerzeichen im Unternehmensnamen ist dort als Regel festgeschrieben. Sondern auch, dass niemals ein Bildestrich hinter dem Unternehmensnamen stehen darf. Beispielsweise wenn er mit andern Wörter gekoppelt wird. So entsteht dann das Beispiel vom „Müller Stahl Neujahrsempfang“.
Fehler in Namen öffentlicher Einrichtungen
Das falsch gesetzte Leerzeichen findet sich erstaunlicherweise auch im Namen vieler Bildungseinrichtungen. Grammatik-Enthusiasten haben auf www.deppenleerzeichen.de Bildungseinrichtungen wie Schulen, Universitäten und Forschungseinrichtugngen unter die Lupe genommen. In der Sammlung finden sich die „Ida Ehre Schule Hamburg“ (korrekt: Ida-Ehre-Schule-Hamburg), die „Johannes Gutenberg-Universität Mainz“ (korrekt: Johannes-Gutenberg-Universität-Mainz) und die „Kultusminister Konferenz“ (korrekt: Kultusministerkonferenz oder Kultusminister-Konferenz).
Ein besonderes Schmankerl in dieser Zusammenstellung ist die „Eberhard Karls Universität Tübingen“. Diese Schreibweise der Uni sagt nicht etwa aus, dass sie nach Eberhard Karl benannt ist. Sie impliziert, dass sie ihm gehört.
Ich ergänze diese Liste noch um das derzeit viel zitierte Robert-Koch-Institut, das sich in seinem Logo „Robert Koch Institut“ schreibt und im Fließtext „Robert Koch-Institut“ (ist leider beides falsch).
Deppenleerzeichen verändert die Bedeutung
Jetzt kann man sagen: „Das ist doch alles kein Beinbruch. Soll doch jeder schreiben, wie er will.“
Das Problem mit dem Deppenleerzeichen ist aber, dass es die Bedeutung vieler Wörter verändert. Im Fall des Würfelzuckers ist das vergleichsweise harmlos. Da wird die Form des Zuckers kurzerhand zur Aufforderung, mit dem Lebensmittel zu würfeln. Oder die Probier Packung zum Imperativ, eine Packung zu verspeisen.
In manchen Fällen erschwert das Deppenleerzeichen das Lesen so stark, dass die Bedeutung eines ganzen Satzes missverstanden wird. Hierfür haben die Sammler auf www.deppenleerzeichen.de ebenfalls ein gutes Beispiel parat:
„Internet Sucht Therapie“, steht dort auf einem Plakat. Ein Schelm, der dabei denkt, das Internet sei auf der Suche nach einem Therapieplatz.
„Mädchen oder Knaben Slip“ auf einem Schild im Supermarkt für ist ein weiteres Beispiel aus der Sammlung. Entgegen der Anküdigung gibt es dort ganz sicher keine Mädchen zu kaufen.
Warum ist das Deppenleerzeichen so verbreitet?
Wie kommt es also, dass der Bindestrich so verpönt ist und das Deppenleerzeichen immer beliebter wird?
Ich denke, dafür gibt es unterschiedliche Gründe. Gerade im Marketing ist es oft das Argument der gestalterischen Einschränkung. Ein Bindestrich im Logo oder auf einer Produktverpackung ist vielleicht nicht so ästhetisch wie auseinandergeschreibene Begriffe oder Namen. Ob das Deppenleerzeichen den Unternehmen wirklich einen Vorteil bringt oder der Bindestrich tatsächlich nachteilig wäre, sei dahingestellt. Wissenschaftliche Belege gibt es dafür jedenfalls nicht.
Ein anderer Grund ist vermutlich unsere sprachliche Orientierung am Englischen. Dort ist die Schreibweise „Content Marketing“ korrekt. Denn zusammengeschriebene Komposita gibt es im Englichen nicht. Da die falschen Leerzeichen aber überall zu finden sind, prägen sie bereits, wie wir die Sprache wahrnehmen. Das Deppenleerzeichen wird sozusagen zur Selbstverständlichkeit.
Das zeigt sich auch, wenn wir auf unserem Smartphone die Autokorrektursysteme nutzen. Sie dürften auch nicht ganz unschuldig sein am Siegeszug des Deppenleerzeichens. Diese Systeme erkennen die meisten Komposita nicht. Das Ergebnis sind zusammenhanglos aneinandergereihte Wörter in unseren Textnachrichten.
Auf ihre Kappe gehen vermutlich viele weitere, schräge Aufforderungen wie mit Essen zu würfeln oder Verpackungen zu essen.
Kennst du andere Beispiele für kuriose Bindestrich-Fehler?
Schreib sie mir gerne in die Kommentare. Ich werde sie sammeln und auf Instagram posten!
Dort findest du auch viele nützliche Tipps und Tricks rund ums Schreiben.
Oder stöbere in meinen anderen Blogartikeln:
https://nadjahinz.de/warum-seo/
https://nadjahinz.de/content-schreiben-lassen-oder-selbst-erstellen/
https://nadjahinz.de/texter-briefing-schreiben-anleitung-mit-vorlage/
https://nadjahinz.de/texter-finden-leicht-gemacht/